Mit Gerste, genauer Wintergerste, beginnt die Erntezeit
Gerste – das Spelzgetreide mit langen Grannen – wird unter den Getreidearten am frühesten in die Kultur genommen. Sommergerste wird als Braugerste verwendet, Wintergerste überwiegend als Tierfutter. Gegenüber Sommergerste kann Wintergerste höhere Erträge erzielen und hat einen höheren Eiweiß- und Vitamingehalt. Die Gerstenkörner sind mit den Spelzen verwachsen. Dies sorgt für einen hohen Zelluloseanteil (≈8–15 %). Die Gerstenkörner bestehen aus Kohlenhydraten, meist Stärke (60–70 %), Proteinen (11 %), Ballaststoffen (10 %), Fett (2 %) und Mineralien (2 %). Neben der ursprünglichen Gerste gibt es mittlerweile auch einige Sorten von Nacktgerste, bei der die Früchte nicht eng mit den Spelzen verwachsen sind. Dies vereinfacht die Ernte und das Risiko, Keimlinge zu schädigen, ist geringer.
Durch die Züchtungserfolge sind Gerstenerträge, besonders auf anspruchslosen Standorten, ähnlich wie Weizenerträge. Doch bedingt durch die Temperaturschwankungen, teilweise mit Frösten, im Frühjahr wird es in diesem Jahr wohl zu Ernteverlusten kommen. So wurden in Teilen Bayerns, Baden-Württembergs und Thüringens bereits Frostschäden sichtbar. Die Laternenblütigkeit – grüne Bestände mit nicht richtig eingekörnten Ähren – ist eine der Folgen. Dabei sind teilweise einzelne Ähren betroffen, es kann aber auch zu Ausfällen von bis zu 90 % kommen. Sortenunterschiede konnten nicht festgemacht werden.Es sind sowohl zweizeilige als auch mehrzeilige Sorten betroffen. Ursächlich für die Ausprägung des Schadens war das Entwicklungsstadium des Gerstenbestandes während der Fröste. Auf einigen der betroffenen Flächen wurde die Gerste bereits als Ganzpflanzensilage (GPS) geerntet. Diese Entscheidung muss aber abgewogen und in Abhängigkeit einzelbetrieblicher Faktoren getroffen werden: Verwendung der Gerste als Futter bzw. Gerstenstroh im Betrieb, Integration der Zweitfrucht in die Fruchtfolge, Wasserverfügbarkeit oder förderrechtliche Restriktionen.
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Wintergerste: Anbau, Ernte und Erträge
Generell gilt Gerste als eher anspruchslose Pflanze im Pflanzenbau, die auf unterschiedlichen Böden wächst und selbst raue Witterungsbedingungen erlaubt. Dennoch sollten auch bei Gerste und speziell bei Wintergerste einige Besonderheiten in der Kulturführung beachtet werden:
Standort: Insgesamt stellt Gerste keine hohen Ansprüche an den Boden und gedeiht schon auf Böden mit einer Ackerzahl von > 30. Das Wurzelsystem von Gerste ist nicht sehr kräftig ausgebildet, so dass Gerste empfindlich gegenüber ungünstigen Bodenverhältnissen, wie Bodenverdichtungen, reagiert. Gut sind dagegen tiefgründige, gut durchfeuchtete, leicht saure bis neutrale (pH 6,0–7,0) Böden, die im Frühjahr schnell abtrocknen und sich leicht erwärmen. Für Gerste ist eine gute Wasserverfügbarkeit in der Schossphase wichtig. Die Winterhärte von Gerste ist weniger ausgeprägt. Standorte mit häufigen Frösten sind daher eher ungeeignet.
Bodenbearbeitung: Für Wintergerste ist ein gut abgesetzter Boden zur Saat erforderlich. Dabei sollte das Saatbett fein und dicht sein, um einen ungleichmäßigen Aufgang zu vermeiden und zu gewährleisten, dass die Saatkörner genügend Feuchtigkeit für die Keimung erhalten. Zusätzlich ist eine krumentiefe Lockerung des Bodens vorteilhaft.
Fruchtfolge: Gerste ist nicht sehr selbstverträglich, so dass Anbaupausen von ein bis zwei Jahren empfohlen werden. Geeignete Vorfrüchte sind Kartoffeln sowie Leguminosen und Mais bei Wintergerste.
Aussaat: Bei Wintergerste erfolgt die Aussaat im Frühherbst, Ende August bis Ende September, damit die Ausbildung von Nebentrieben (Bestockungstriebe) vor dem Winter abgeschlossen ist. Zwischen Aussaat und Wintersonnenwende sollte eine Temperatursumme von 800 °C möglichst nicht überschritten werden. Aus diesem Grund sollte an Standorten mit wärmeren Herbsten und milderen Wintern nicht zu früh gedrillt werden. Für die Entwicklung vor dem Winter benötigt Wintergerste 50–55 Tage zur Bildung gut bestockter Pflanzen mit vier bis sechs Trieben. So verträgt Wintergerste in den Wintermonaten durchaus Temperaturen von bis zu ‑15 °C. Die Saatdichte beträgt bei zweizeiligen Sorten 400 keimfähige Körner/m2, bei sechszeiligen Sorten 350 keimfähige Körner/m2. Die Aussaatstärke sollte so gewählt werden, dass eine optimale Ährendichte von 500–600 Ähren/m2 bei mehrzeiliger und 700–800 Ähren/m2 bei zweizeiliger Wintergerste erreicht werden. Dabei sollte die Saattiefe 2–4 cm betragen bei einem Reihenabstand von 8–16 cm. Bei der Aussaat ist Gerste bespelzt und hat ein Tausendkorngewicht von etwa 40–50 g. Die Keimfähigkeit liegt bei mehr als 90 %. Das Anwalzen der Saat wird für eine Verbesserung des Kontaktes von Saatgut und Boden empfohlen, da dies förderlich für die Keimung und den Feldaufgang ist.
Düngung: Durch das nicht so kräftige Wurzelsystem von Gerste ist das Nährstoffaneignungsvermögen nicht sehr ausgeprägt. Daher ist eine gute Nährstoffversorgung wichtig, so dass eine Grunddüngung mit Phosphor und Kalium vor der Aussaat erfolgen sollte, da im Herbst größere Nährstoffmengen benötigt werden und Kalium die Winterfestigkeit verbessert. Im Herbst ist außerdem eine Düngung von etwa 30 kg N/ha notwendig.
Pflanzenschutz: Die mechanische Unkrautbekämpfung erfolgt bei Gerste durch Striegeln; nach der Aussaat und vor dem Auflaufen durch sogenanntes Blindstriegeln. Pflanzenverluste ab dem 3–4‑Blatt-Stadium werden durch eine verstärkte Bestockung, mit eine 10 %ig höheren Saatstärke ausgeglichen. Zusätzlich kann die Sortenwahl die Pflanzenschutzmaßnahmen beeinflussen. Beispielsweise können Sorten von Hybridgerste das Risiko für den Befall von standorttreuen, bodenbürtigen Pilzerkrankungen, wie Fusarium, senken. Zudem kann Gerste unerwünschte Unkräuter wie den Ackerfuchsschwanz unterdrücken. Durch das grüne Gerstenblatt wird hellrotes Licht absorbiert, das zur Keimung des Ackerfuchsschwanzes notwendig ist und auf diese Weise unterdrückt wird.
Ernte: Gerste wird in der Voll- bis Totreife geerntet. Dabei sollte beim Mähdrusch auf das Gewicht (Windeinstellung) sowie die Zuschaltung des Entgranners geachtet werden. Gerste wird dann im bespelzten Zustand gelagert.
Erträge: Die Erträge von Wintergerste liegen zwischen 50–90 dt/ha.
Besonderheiten Wintergerste: Wurzelsystem und Keimruhe
Wintergerste beginnt als erste Kultur im Dezember mit der Ährchenanlage (Doppelring-Stadium). Zuvor hat sich ein verzweigtes und tief reichendes Wurzelsystem entwickelt. Die Wurzelspitzen synthetisieren Cytokinine, was die Bestockung unterstützt und für gut entwickelte Ährchen sorgt. Durch die frühe Wurzelbildung werden die Bodendrainage und die ‑belüftung sowie die gesamte Bodenstruktur mit guter Kapillarität verbessert. Dadurch kann der Boden in den feinen Kapillaren Wasser und Nährstoffe besser halten, aber überschüssiges Wasser auch schneller ablaufen. Durch eine ausgeprägte sekundäre Keimruhe muss Gerste allerdings auch viel Wasser aufnehmen. Für die Keimung benötigt ein Gerstenkorn 50–60 % des eigenen Gewichtes an Wasser. Bei Roggen und Weizen fällt demgegenüber die Wasseraufnahme deutlich geringer aus. Kann Gerste den Wasserbedarf nicht decken, setzt der Keimvorgang aus. Bei zusätzlich höheren Bodentemperaturen kommt es zur sekundären Keimruhe. Diese hält solange an, bis eine ausreichende Durchfeuchtung bei geringeren Temperaturen vorliegt. So kann es durchaus vorkommen, dass Wintergerste im zweiten oder dritten Jahr nach dem Anbau wächst.