Hafer in der Fruchtfolge – eine Alternative im Ackerbau?
Hafer (Avena sativa) ist eine robuste, widerstandsfähige Getreideart – gesund für Mensch und Boden – und keineswegs neu auf unseren Feldern. Archäologen haben herausgefunden, dass das Getreide schon vor 4.000 Jahren von Kelten und Germanen angebaut wurde. Bevor die Kartoffel den Weg über das Meer fand, war Haferbrei in Mittel- und Osteuropa ein Grundnahrungsmittel.
In den letzten Jahrzehnten hatte sich der Anbau allerdings auf die Erzeugung von Pferdefutter oder als Nische für den menschlichen Verzehr, zumeist im Ökoanbau, beschränkt. Doch seit einiger Zeit findet Hafer weltweit viele neue Freunde, die die gesundheitlichen Vorzüge des alternativen Lebensmittels schätzen und es zum Beispiel als Haferdrink oder Porridge konsumieren.
Lange blieb der Anbau hierzulande gering, der Selbstversorgungsgrad lag bei gerade mal 70 %. Doch nun, etwas zeitversetzt, folgt die Landwirtschaft dem gestiegenen Verbraucher-Interesse. Denn auch im Pflanzenbau bringt die Sommerkultur jede Menge agronomische Vorteile mit sich. Gleichzeitig sind die Vermarktungsmöglichkeiten vielfältig und die Preise derzeit sehr interessant. Wie andere Getreide und Ölfrüchte auch eilt der Hafer derzeit von einem Preishoch zum nächsten. Anfang Mai wurde er an der Chicagoer Börse für den nie dagewesenen Preis von 411 €/t gehandelt.
Mit 156.000 ha Anbaufläche, und damit einem Anstieg im Vergleich zum Vorjahr um 20 %, sowie 714.000 t Erntemenge (Durchschnittsertrag 48 dt/ha) lag Deutschland im Jahr 2020 auf Platz 5 der europäischen Erzeugerländer. Europäischer Spitzenreiter ist Polen, gefolgt von Finnland, Spanien und Schweden. Die Differenz aus inländischer Erzeugung und Bedarf decken die deutschen Schälmühlen bislang aus Skandinavien und Nordamerika. Und die Hafermühlen melden weiter steigenden Nachfrage an Qualitätshafer für die Lebens-mittelverarbeitung.
Momentan stehen also die Zeichen für einen weiter steigenden Haferanbau auf Grün. Allerdings geben Markt- und Pflanzenbau-Experten zu bedenken, dass Preise und Erträge stärkeren Schwankungen unterliegen, auch die Qualitätsanforderungen der Mühlen sind nicht ohne Weiteres zu erfüllen. Vermarktungsproblemen geht man am besten durch die vorherige Kontaktaufnahme mit einer Mühle und langfristigen Abnahmeverträgen aus dem Weg.
Wirtschaftlichkeit von Hafer in der Fruchtfolge
Schwankende Preise und Erträge dämpfen natürlich die Wirtschaftlichkeit einer Kultur. So zeigt die Auswertung der vergangenen Jahre, dass – obwohl in Landessortenversuchen regelmäßig Erträge um 70 dt/ha erzielt werden und auch 90dt/ha überstiegen werden – die Praxisergebnisse regional und jahresabhängig meist deutlich darunter liegen. So wurden in eher trockenen Jahren in Deutschland im Durchschnitt nur knapp über 40 dt/ha geerntet, in den feuchteren Jahren 2009, 2012 und 2014 um die 50 dt/ha.
Allerdings tendierten viele Anbauer bislang auch dazu, Hafer auf weniger geeigneten Standorten mit schlechterer Wasserversorgung und an ungünstiger Position in der Fruchtfolge zu platzieren. Wird der Kultur hier mehr Aufmerksamkeit zuteil – wird sie also auf Böden mit Ackerzahlen über 27 und gutem Wasserhaltevermögen gestellt – ist sie durchaus zu guten Erträgen in der Lage. Und damit wirtschaftlich vergleichbar mit den aus der Fruchtfolge verdrängten Kulturen, etwa Stoppelweizen oder Roggen. Es empfiehlt sich, für Wirtschaftlichkeitsberechnungen mehrjährige Erträge zu nutzen, aber auch zusätzlich anfallende Kosten nicht zu vergessen. Unbedingt sind auch die ackerbaulichen Vorteile in den Berechnungsansatz einzubeziehen: der hohe Vorfruchtwert, der geringe Bedarf an Pflanzenschutz- und Düngemitteln, die Möglichkeit zur Einordnung von Zwischenfrüchten vor der Kultur. Hafer wirkt stabilisierend und gesundheitsfördernd sowohl auf den Boden als auch auf die nachfolgenden Kulturen – dieser Beitrag ist zwar nicht auf die Nachkommastelle genau in Euro auszudrücken, aber angesichts der Herausforderungen, denen sich der Pflanzenbau gegenübersieht, kaum zu unterschätzen.
Für Neueinsteiger im Haferanbau empfiehlt es sich, auf den verfügbaren Kanälen Hinweise zur Ertragsstabilisierung bzw. ‑steigerung einzuholen. Das können Presseveröffentlichungen sein, Veröffentlichungen von Beratungshäusern, auch Züchter und Mühlen bieten Anbauberatung, darunter der Verband der haferverarbeitenden Mühlen auf dem Internetportal www.alleskoerner.de. Unterstützend für einen gelungenen Anbau wirkt natürlich die sorgfältige Führung einer Ackerschlagkartei, die alle relevanten Schlagdaten übersichtlich und entscheidungsfreundlich bündelt.

Vorteile von Hafer
- Hafer ist die einzige Getreideart, die das Potential hat enge Getreide- und Rapsfruchtfolgen aufzulockern. Als Sommerkultur schafft er die Möglichkeit, einen Zwischenfruchtanbau über das Winterhalbjahr einzuordnen. So können Greening-Auflagen erfüllt und gleichzeitig Ungräser wie Ackerfuchsschwanz wirksam bekämpft werden.
- Hafer gilt als Gesundungsfrucht, da er für viele Erreger von Getreidekrankheiten, z.B. von Halmbruch oder Schwarzbeinigkeit, keine Wirtspflanze darstellt. Außerdem zeigt er unter den Sommergetreidearten die beste Unkrautunterdrückung.
- Bei guter Wasserversorgung kommt Hafer mit allen Bodenarten zurecht. Sein leistungsfähiges Wurzelsystem wächst sehr tief und schließt leicht Nährstoffe aus dem Boden auf. Diese gute Nährstoffaneignung macht die Kultur auch für rote Gebiete interessant. Allerdings ist die Verfügbarkeit von Spurennährstoffen wie Mangan oder Kupfer zu beachten.
- Hafer eignet sich dank des geringen Pflanzenschutzmittelbedarfes für einen extensiven Anbau: Insektizide und Wachstumsregler nach Bedarf, Fungizide sind meist nicht erforderlich. Versuche haben gezeigt, dass Intensivierungsmaßnahmen meist nicht wirtschaftlich sind, eine überzogene Intensivierung könnte sich sogar negativ auswirken.
- Diese hohe Leistung bei extensivem Anbau ist auch ein Grund für die Beliebtheit der Kultur im ökologischen Anbau. 2019 wurde Bio-Hafer auf 28.000 ha angebaut und war damit das viertwichtigste Getreide im Ökolandbau.
Pressekontakt
Yasmin Moehring Tel. +49 30 25 93 29–901 Mobil +49 151 17 28 18 69 moehring@365farmnet.com