Gerste als Kulturpflanze
Gerste gilt als das Getreide, das wahrscheinlich als Erstes in Kultur genommen wurde, sie zählt damit zu den ältesten Kulturpflanzen überhaupt. Bereits vor etwa 8.000 bis 10.000 Jahren wurde Gerste angebaut. Ihre Ursprünge liegen im Nahen Osten und Mittelmeergebiet. Auch in der Erntereihenfolge steht Gerste am Anfang. Je nach Wetterbedingungen wird sie in Europa Mitte bis Ende Juni geerntet. Wenn der Feuchtigkeitsgehalt unter 14 Prozent fällt, kann die Gerste vom Feld geholt werden. Wegen ihrer frühen Ernte und Aussaat lassen sich mit der Gerste Arbeitsspitzen im Pflanzenbau gut abmildern. Ein früher Zeitpunkt ermöglicht zudem ausreichend Zeit für die anschließende Bodenbearbeitung und Aussaat der Folgefrucht. Aufgrund phytomedizinischer Besonderheiten und niedriger Standortansprüche ist Gerste auf guten Böden häufig die letzte Halmfrucht in der Fruchtfolge. Für ein gutes Anbaumanagement empfiehlt sich eine Software für die Fruchtfolge- und Sortenplanung.
Sommer- und Wintergerste haben unterschiedliche Standortansprüche. Sommergerste benötigt circa 95 Tage bis zur Reife und wächst auch in kühleren Regionen. Wintergerste hingegen braucht höhere Temperaturen und hat eine Wachstumsperiode von etwa 270 Tagen. Beide Sorten lassen sich anhand der verschiedenen Ähren unterscheiden. Die Körner sind hier in zwei, vier oder sechs Zeilen angeordnet. Sommergerste ist überwiegend zweizeilig, Wintergerste meist vierzeilig. Sie ist auch am häufigsten anzutreffen, weil sie sich wegen ihres hohen Eiweißanteils sehr gut für die Futterproduktion eignet. Sommergerste enthält mehr Kohlenhydrate und ist deshalb für Brauereien und Brennereien interessant. Da die Körner mit den Spelzen verwachsen sind, besitzt Gerste einen hohen Zelluloseanteil. Als Speisegetreide ist Gerste in Europa jedoch weitestgehend vergessen. Zu den wichtigsten Anbaugebieten zählen Frankreich, Deutschland, Spanien, Dänemark und Polen. In den letzten Jahren ist der Anbau europäischer Gerste insgesamt zurückgegangen.
Wachstumsbedingungen und Sorten
Gerste stellt geringe Ansprüche an die Bodenverhältnisse und ist somit auch für ungünstige Standorte die richtige Wahl. Sie wächst sogar an Stellen, die für andere Getreidearten völlig ungeeignet sind. So lässt sich Gerste auf salzigen Böden in trockenheißen Steppen, auf den Hochebenen Tibets oder nördlich des Polarkreises anbauen.
Gute Bedingungen sind in Europa schon ab einer Bodenwertzahl von 30 gegeben. Hier liegen die Erträge über denen von Weizen und Roggen. An guten Standorten schneidet Gerste aber vergleichsweise oft schlechter ab. Wegen ihrer geringen Ansprüche ist Gerste weltweit am meisten verbreitet und auf allen Kontinenten zu finden. Die Winterhärte von Gerste ist etwas geringer als bei anderen Getreidearten. Standorte, die zum Auffrieren neigen, sind daher wegen des hohen Auswinterungsrisikos für Wintergerste nicht geeignet. Die starke Entwicklung im Herbst und die frühe Abreife schützen die Wintergerste sehr gut gegen Frühjahrs- und Vorsommertrockenheit, was sichere Erträge in trockenen Jahren gewährleistet.
Für Wintergerste stehen zwei- oder mehrzeilige Sorten sowie die Hybridgerste zur Verfügung. Mehrzeilige Sorten sind im Mittel ertragsstabiler und besitzen somit ein höheres Ertragspotenzial. Zweizeilige Sorten sind mit ihrer Ertragsleistung meist darunter. Diese Lücke wird jedoch durch Zuchterfolge immer weiter geschlossen. Bei ungünstigen Umweltbedingungen liegt zweizeilige Gerste bei Hektolitergewicht, Korngröße und Tausendkornmasse vor mehrzeiligen Varianten. Daher eignet sich zweizeilige Gerste eher für leistungsschwächere Standorte. Hybridgerste gibt es momentan ausschließlich als mehrzeilige Sorten, die sich gegenüber Liniensorten durch höhere Erträge auszeichnen. Sie sind zudem deutlich ertragsstabiler und benötigen bei gutem Anbaumanagement weniger Pflanzenschutzmittel. Demgegenüber steht ein deutlich höherer Preis für das Saatgut. Daher sollte bei der Sortenwahl auf das Anbauziel geachtet werden.
Als Qualitätsmerkmal gilt für Gerste hauptsächlich das Hektolitergewicht. Der Anteil an Rohprotein wird für die Preisbildung nicht herangezogen. Daher rentieren sich diese Werte nur bei der Eigenverwertung in Veredelungsbetrieben. Die Düngung richtet sich nach dem Produktionsziel und dem damit zusammenhängenden Nährstoffentzug. Winterfuttergerste hat einen höheren Anteil an Rohprotein im Korn und benötigt mehr Stickstoff als Winterbraugerste. Um den Stickstoff zu ermitteln, sind Bodenproben sinnvoll. Leichte und sandige Böden sollten zusätzlich mit ausreichend Schwefel versorgt werden.
Verwendung von Gerste
Gerste dient in Europa hauptsächlich als Futtergetreide. So enthält die Wintergerste besonders viel Eiweiß (12 bis 15 Prozent). Die Sommergerste hingegen ist reich an Kohlenhydraten (60 bis 65 Prozent) und wird deshalb hauptsächlich zur Herstellung von Bier genutzt. Weiterhin lässt sich Gerste in Brennereien zu Whiskey und Kornbranntwein verarbeiten. Da Gerste kein Klebereiweiß enthält, wird sie in Ländern mit guten Wachstumsbedingungen bei der Brotherstellung höchstens als Beimischung eingesetzt. In Teilen der Erde mit schwierigen Standortbedingungen ist Gerste wichtig für die Ernährung, da sie für Graupen, Grützen und Suppen genutzt werden kann. Auch wird Gerste für die Herstellung von Kaffeeersatz-Produkten verwendet. Dazu wird das gemälzte Getreide geröstet und vermahlen.
Wegen geringer Ansprüche und vielseitiger Verwendung ist Gerste ein fester Bestandteil der Fruchtfolge im Pflanzenbau.
Pressekontakt
Yasmin Moehring
Tel. +49 30 25 93 29–901
Mobil +49 151 17 28 18 69
moehring@365farmnet.com